- Marie de France
- Marie de France[ma'ri də 'frãs], französische Dichterin der 2. Hälfte des 12. Jahrhunderts, älteste namentlich bekannte französische Dichterin überhaupt. Einzelheiten über ihre Biographie und die Datierung ihrer Werke sind jedoch hypothetisch. Wahrscheinlich stammte sie aus Frankreich und lebte am Hof Heinrichs II. von England, dem sie ihre (zwischen 1160 und 1189 entstandenen) »Lais« (Versnovellen, u. a. »Chievrefueil«, »Eliduc«, »Fraisne«, »Guigemar«, »Lanval«, »Bisclavret«) widmete. In Form und Inhalt der zeitgenössischen höfischen Dichtung verpflichtet, verbinden sie mündlich überlieferte Stoffe aus dem bretonischen Sagenkreis mit der Darstellung des Abenteuers als Form ritterlichen Lebens und der differenzierten Schilderung von Gefühlskonflikten. Ferner wird Marie die erste französische (wohl zwischen 1170 und 1190 entstandene) Fabelsammlung »Esope« zugeschrieben; sie geht auf eine (nicht erhaltene) englische Sammlung zurück (der eine anglolatische Fassung des »Romulus Nilantii«, 11. Jahrhundert, zugrunde lag) und gestaltet höfisch-ritterliche Wertvorstellungen am Beispiel antiker Fabeln. Marie gilt auch als Verfasserin der (um 1190 entstandenen) Verslegende »L'espurgatoire Seint Patriz« (nach dem »Tractatus de Purgatorio Sancti Patricii« des englischen Mönchs Henry of Saltrey, um 1160), in der die Legende des heiligen Patrick den Rahmen für die Beschreibung einer theologisch-moralisch ausgedeuteten Jenseitsreise bildet.Ausgaben: Das Buch vom Espurgatoire Saint Patrice und seine Quelle, herausgegeben von K. Warnke (1938, Nachdruck 1976); Äsop, herausgegeben von H. U. Gumbrecht (1973); Novellen und Fabeln. Deutsche Übersetzung von R. Schirmer (1977); Die Lais. Deutsche Übersetzung von D. Rieger u. a. (1980).K. Ringger: Die »Lais« (1973);E. Sienaert: Les lais de M. de F. (Paris 1978);P. Clifford: M. de F. Lais (London 1982).
Universal-Lexikon. 2012.